Der letzte Venustransit des Jahrhunderts

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Wenn das Wet­ter am Mor­gen des 6. Juni 2012 mit­spielt, kön­nen wir den letz­ten Venus­durch­gang in die­sem Jahr­hun­dert beob­ach­ten. Kein heu­te leben­der Mensch wird noch ein­mal die Venus als schwar­ze Sil­hou­et­te vor der Son­ne zu sehen bekom­men, weil es den nächs­ten Tran­sit erst in 105 ½ Jah­ren geben wird. Venus­tran­site gehö­ren näm­lich zu den äußerst sel­te­nen astro­no­mi­schen Ereig­nis­sen und fin­den zwei­mal (in Paa­ren von 8 Jah­ren Abstand) alle 105,5 bzw. 121,5 Jah­re statt. Zusam­men­ge­nom­men ist es sogar erst der 7. von Men­schen beob­ach­te­te Durch­gang der Venus vor der Son­nen­schei­be! Den letz­ten Durch­gang gab es am 8. Juni 2004 zwi­schen 7:20 Uhr mor­gens und 13:13 Uhr MESZ nach­mit­tags und war von Deutsch­land aus in sei­ner vol­len Län­ge und bei sehr gutem Wet­ter zu sehen. Dies­mal wird aber nur die End­pha­se die­ses Jahr­hun­dert­ereig­nis­ses – kurz nach Son­nen­auf­gang – von mit­tel­eu­ro­päi­schen Stand­or­ten aus sicht­bar sein. Wer ihn voll­stän­dig beob­ach­ten möch­te, muss auf Rei­sen gehen. Der nächs­te Venus­tran­sit fin­det dann am 11. Dezem­ber 2117 statt. Die­ser ist aber nur von der uns abge­wand­ten Sei­te der Erde aus sicht­bar, so dass sich Beob­ach­ter von unse­ren Brei­ten aus sogar noch bis zum 8. Dezem­ber 2125 gedul­den müs­sen. Den nächs­ten voll­stän­dig von Mit­tel­eu­ro­pa aus sicht­ba­re Venus­tran­sit wird es schließ­lich erst am 11. Juni 2247 geben! Im 20. Jahr­hun­dert gab es über­haupt kei­nen Venus­tran­sit: Vor dem 8. Juni 2004 zeig­te sich unser Nach­bar­pla­net am 6. Dezem­ber 1882 letzt­ma­lig vor der Sonnenscheibe.

Entstehung und Sichtbarkeit

Die Venus ist ähn­lich groß wie die Erde, aber mit einer mitt­le­ren Ober­flä­chen­tem­pe­ra­tur von über 464°C ein lebens­feind­li­cher Ort. Sie umläuft in 224,7 Tagen ein­mal unser Zen­tral­ge­stirn. Unser Hei­mat­pla­net benö­tigt für die­se Zeit bekannt­lich 365,256 Tage. Alle 584 Tage kommt es zu einer unte­ren Kon­junk­ti­on unse­res Schwes­ter­pla­ne­ten mit der Son­ne. Da die Venus­bahn gegen­über der Erd­bahn um 3,4 Grad geneigt ist, kann der Pla­net bis zu 9 Grad nörd­lich bzw. süd­lich der Eklip­tik ste­hen. Um die Venus vor der Son­nen­schei­be tre­ten zu las­sen, muss der Pla­net wäh­rend der unte­ren Kon­junk­ti­on in die Nähe der Schnitt­punk­te ihrer Bahn mit der Eklip­tik kom­men. Die­se Schnitt­punk­te wer­den Kno­ten genannt. In der Regel zieht die Venus wäh­rend ihres Umlaufs eini­ge Grad nörd­lich oder süd­lich an der Son­ne vorbei.
Am 6. Juni 2012 kommt unser Schwes­ter­pla­net gegen 3 Uhr mor­gens in eine unte­re Kon­junk­ti­on zur Son­ne. Nur 16 Stun­den spä­ter pas­siert sie gegen 19 Uhr auch den abstei­gen­den Kno­ten ihrer Bahn, so dass Son­ne, Venus und Erde nahe­zu eine exak­te Linie bil­den. Die Venus zieht des­halb, vom Erd­mit­tel­punkt aus gese­hen, von 00:10 Uhr bis 6:50 Uhr MESZ vor der Schei­be unse­res Zen­tral­ge­stirns vor­über. Zur Mit­te des Tran­sits, um 3:30 Uhr MESZ, wird mit 9′14″ schließ­lich der gerings­te Abstand zum Son­nen­schei­ben­mit­tel­punkt erreicht. Am bes­ten ist das Ereig­nis von Ost- und Zen­tral­aus­tra­li­en, dem West­pa­zi­fik, Ost- und Nord­asi­en sowie im Nord­po­lar­ge­biet, ein­schließ­lich Grön­land, Nord­west­ka­na­da und Alas­ka zu sehen.

Sicht­bar­keits­zo­ne des Venus­tran­sits vom 6. Juni 2012 – Quel­le: NASA/GSFC

Von mit­tel­eu­ro­päi­schen Brei­ten aus gese­hen steht die Son­ne zu Beginn des Tran­sits noch unter­halb des Hori­zonts. Wenn die Son­ne auf­geht, ist das Ereig­nis des­halb schon voll im Gan­ge. In mei­ner Hei­mat­stadt Lüb­ben erfolgt der Auf­gang um 4:47 Uhr Som­mer­zeit, so dass man noch knapp 2 Stun­den lang ver­fol­gen kann, wie die Venus vor der Son­ne vor­über­zieht. Am bes­ten sucht man sich einen geeig­ne­ter Stand­ort mit frei­er Sicht in Rich­tung Nord­os­ten. Beob­ach­ter im Nor­den und Osten Deutsch­lands haben den Vor­teil, dass die Son­ne frü­her als in ande­ren Lan­des­tei­len auf­geht. Bei Son­nen­auf­gang steht die Venus dann im obe­ren rech­ten Qua­dran­ten der Son­nen­schei­be und befin­det sich gegen 5 Uhr mor­gens noch 8 Bogen­mi­nu­ten vom Aus­tritts­punkt ent­fernt. Bis kurz nach 6:30 Uhr nähert sich das dunk­le Venus­scheib­chen dem inne­ren Son­nen­rand und erreicht es schließ­lich für einen Ort 50 Grad n. Br. und 10 Grad ö. L. um 6 Uhr 37 Minu­ten und 32 Sekun­den (3. Kon­takt). Um 6 Uhr 55 Minu­ten und 3 Sekun­den trennt sich das Venus­scheib­chen wie­der vom Rand der Son­ne (4. Kon­takt) für die nächs­ten 105 ½ Jahre.

Foto des Venus­durch­gangs vom 8. Juni 2004

Lei­der ist so nied­rig über dem Hori­zont die Luft immer etwas unru­hig. Mit fort­schrei­ten­der Son­nen­hö­he soll­te sich die Luft­un­ru­he aber deut­lich ver­bes­sern. Zum Ende des Ereig­nis­ses steht die Son­ne, je nach Stand­ort, 10 bis 18 Grad hoch über dem Horizont.

Den Venustransit sicher beobachten

Auf die genaue Bestim­mung der Kon­takt­zei­ten wur­de schon in his­to­ri­scher Zeit sehr gro­ßen Wert gelegt. Denn damit lässt sich theo­re­tisch die Astro­no­mi­sche Ein­heit – der mitt­le­re Abstand zwi­schen Erde und Son­ne – hin­rei­chend genau bestim­men. Zwei Beob­ach­ter die weit von­ein­an­der den Venus­tran­sit beob­ach­ten, sehen die Venus von der Son­nen­mit­te aus unter einem etwas ande­ren Win­kel (Venuspar­al­la­xe). Ist der geo­gra­fi­sche Ort genau bekannt und wur­den die Kon­takt­zei­ten hin­rei­chend genau gemes­sen, lässt sich der Abstand zwi­schen Venus und Erde berech­nen. Unglück­li­cher­wei­se las­sen sich die Kon­takt­zei­ten nie genau bestim­men, da sich beim Ein- und Aus­tritt der Venus das so genann­te Tröpf­chen­phä­no­men bemerk­bar macht. Dabei bil­det sich zwi­schen Son­nen­rand und dem pech­schwar­zen Venus­scheib­chen eine Art dunk­le Brü­cke. Die Aus­prä­gung die­ses Trop­fen­phä­no­mens hängt von der opti­schen Qua­li­tät des Fern­roh­res und von der Luft­un­ru­he ab und wird auf­grund des gerin­gen Kon­tras­tes zwi­schen Venus und der Rand­ver­dunk­lung der Son­ne ver­ur­sacht. Mit­un­ter kann beim Ein- und Aus­tritt eine zar­te Licht­brü­cke am Rand der Venus beob­ach­tet wer­den, die durch Bre­chung des Lich­tes in der dich­ten Atmo­sphä­re unse­res Nach­bar­pla­ne­ten ver­ur­sacht wird.

Das Tröpf­chen­phä­no­men wäh­rend des 3. Kon­takts (8.6.2004, 13:13 Uhr MESZ) – Quel­le: Jan Herold / Wikipedia

Um das Jahr­hun­dert­ereig­nis ohne blei­ben­de Augen­schä­den zu ver­fol­gen ist es beson­ders wich­tig, geeig­ne­te Schutz­maß­nah­men zu tref­fen. Ansons­ten sind schwe­re Augen­schä­den die Fol­ge, wenn man unge­schützt in die Son­ne blickt! Eine Son­nen­fins­ter­nis­bril­le, die im Optik- bzw. Astro­fach­han­del für weni­ge Euro käuf­lich erwor­ben wer­den kann, kann hier sehr gute Diens­te leis­ten. Denn das dunk­le Venus­scheib­chen ist mit einer Grö­ße von 57,8 Bogen­mi­nu­ten oder rund 1/30 des schein­ba­ren Durch­mes­sers der Son­ne für nor­mal­sich­ti­ge Men­schen sogar mit blo­ßem Auge erkenn­bar. Möch­te man ein Fern­glas oder Tele­skop nut­zen, muss man unbe­dingt vor­her das Objek­tiv mit einem geeig­ne­ten Son­nen­fil­ter abde­cken, der über 99% des Lichts und die nicht min­der gefähr­li­che unsicht­ba­re Infra­rot­strah­lung blo­ckiert. Bau­an­lei­tun­gen für einen Objek­tiv­son­nen­fil­ter aus Baa­der-Solar­fo­lie gibt es zum Bei­spiel hier.
Die sichers­te und ein­fachs­te Metho­de ist es aber, das Fern­glas auf ein Sta­tiv zu mon­tie­ren, das Objek­tiv in Rich­tung Son­ne zu schwen­ken und die Son­nen­schei­be auf ein Blatt wei­ßen Kar­ton zu pro­ji­zie­ren. Das hat auch den Vor­teil, dass meh­re­re Beob­ach­ter gleich­zei­tig das Ereig­nis ver­fol­gen können.

Sta­tis­tisch gese­hen muss in Mit­tel­eu­ro­pa Anfang Juni mit einer Bewöl­kungs­wahr­schein­lich­keit von im Mit­tel 70% gerech­net wer­den. Nörd­lich des Polar­krei­ses, zum Bei­spiel in Nord­nor­we­gen, ist Dank der Mit­ter­nachts­son­ne das gesam­te Ereig­nis voll­stän­dig sicht­bar. Aller­dings liegt hier Wahr­schein­lich­keit für Wol­ken sogar noch etwas höher. In Süd­eu­ro­pa gibt es hin­ge­gen deut­lich bes­se­re Chan­cen, das sel­te­ne Ereig­nis zu beob­ach­ten. Hier liegt die Bewöl­kungs­wahr­schein­lich­keit im Mit­tel zum Teil unter 30%! In Asi­en liegt die Wahr­schein­lich­keit für einen bedeck­ten Him­mel, auf­grund der Mon­sun­zeit, ähn­lich hoch wie in Euro­pa. In Aus­tra­li­en und im Pazi­fik­raum gibt es schließ­lich die bes­ten Beob­ach­tungs­be­din­gun­gen. Ins­be­son­de­re im Out­back Nord­ost­aus­tra­li­ens liegt die Bewöl­kungs­wahr­schein­lich­keit sogar unter 20%. Und auch auf Tahi­ti, wo James Cook fast auf den Tag genau vor 243 Jah­ren (näm­lich am 3. Juni 1769) den Venus­durch­gang beob­ach­ten konn­te, gibt es ähn­lich gute Bedin­gun­gen. Aller­dings fin­det hier der Venus­durch­gang schon am Abend des 5. Juni statt, weil Tahi­ti öst­lich der Datums­gren­ze liegt. Hin­ge­gen fin­det der Tran­sit in Aus­tra­li­en am 6. Juni statt.

Venus­tran­site sind von sich aus schon sel­ten genug. Noch sel­te­ner ist ein Venus­tran­sit wäh­rend einer Son­nen­fins­ter­nis (am 5. April 15232) bzw. ein gemein­sa­mer Durch­gang von Venus und Mer­kur (am 26. Juli 69163). 🙂

Son­nen­auf­gang und Höhe um 6:40 Uhr MESZ für ver­schie­de­ne Orte
Quel­le: Ster­ne und Welt­raum, Aus­ga­be 06/2012, Sei­te 54
OrtSon­nen­auf­gang (MESZ)Höhe über dem Hori­zont in Grad
Ber­lin4:46 Uhr14,2
Bern (Schweiz)5:37 Uhr8,6
Dres­den4:52 Uhr14,1
Frankfurt/Main5:17 Uhr10,8
Ham­burg4:53 Uhr12,7
Mün­chen5:14 Uhr11,6
Wien (Öster­reich)4:55 Uhr14,6

Wei­ter­füh­ren­de Links
Venus 2012 – Infos und Beob­ach­tungs­kam­pa­gne zum Venus­tran­sit (engl.)
Ster­ne und Welt­raum – Arti­kel­se­rie mit Infos zum Transit
Astro­cor­ner – 2. Venus­tran­sit des Jahrhunderts
WAA Hot­spots – Venus­durch­gang vor der Sonne
Astro­dic­ti­cum Sim­plex – Der Venus­tran­sit 2012
Him­mels­lich­ter – Den Venus­tran­sit sicher beobachten
Him­mels­lich­ter – Noch drei Monate
Arti­kel in der WELT
Tran­sit­zei­ten für ver­schie­de­ne Städte

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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