Das war die Sonnenfinsternis am 20. März – Genie & Wahnsinn

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Sel­ten lagen Genie und Wahn­sinn näher bei­ein­an­der als bei die­ser Son­nen­fins­ter­nis. In den Tagen vor dem kos­mi­schen Ereig­nis, schrie­ben sich schon diver­se Jour­na­lis­ten die Fin­ger wund, ob es even­tu­ell zu einen Black­out, auf­grund der ver­min­der­ten Son­nen­ein­strah­lung, kom­men wird? Es wur­de regel­recht Panik ver­brei­tet und das The­ma füll­te die Schlag­zei­len der bekann­ten Gazet­ten. Und selbst als kri­ti­sche Stim­men behaup­te­ten, dass es kein Black­out geben wird, zit­ter­te man der Son­nen­fins­ter­nis am 20. März 2015 ent­ge­gen. Das kommt einem doch irgend­wie bekannt vor? Rich­tig, zur tota­len Son­nen­fins­ter­nis am 11. August 1999 in Deutsch­land gab es ähn­li­che Panik­ma­che in den Medien.

Partielle Sonnenfinsternis am 20.03.2015

Die par­ti­el­le Son­nen­fins­ter­nis am 20.03.2015 in Fins­ter­wal­de ( Taka­ha­shi FS-102 f/8, Nikon D5100, ISO-100, 1/250s, Thousand-Oaks Son­nen­fil­ter) © 2015 Uwe Neumann

ebay SofibrillePlötz­lich fie­len den Mit­men­schen ein, dass sie noch drin­gend eine Son­nen­fins­ter­nis­bril­le bräuch­ten, um das Ereig­nis gefahr­los zu beob­ach­ten. Schon sehr bald waren die­se Bril­len und Fil­ter­fo­li­en bei diver­sen Händ­lern rest­los ver­grif­fen. Oder man hat­te ein­fach ver­säumt, wel­che zu ordern. Schließ­lich ist eine Son­nen­fins­ter­nis ein sel­te­nes Ereig­nis, wor­auf man auch mal eher hin­wei­sen könn­te. 😉 Eini­ge zwie­lich­ti­ge Geschäfts­leu­ten nutz­ten in kapi­ta­lis­tisch mani­scher Manier den Man­gel aus und ver­tick­ten die­se für astro­no­mi­sche Wucher­prei­sen von 200 bis 400 auf Ebay. Wer eine Ebay-Fins­ter­nis­bril­le ergat­tern konn­te, war mit 30 bis 40 Euro schon gut bedient. Die Schlau­en hat­ten sich schon vor­her eine für 1,90 € bis 4,90 € bei den Händ­lern ihres Ver­trau­ens besorgt.

Sofibrille

Es konn­te sich jeder glück­lich schät­zen, der eine Sofi­bril­le dabei hatte

Regel­recht den Vogel abge­schos­sen haben aber die Ver­ant­wort­li­chen, die den Leh­rern und Erzie­hern die Anwei­sung gege­ben haben, sich und ihre Kin­der, wäh­rend der Fins­ter­nis, sich im Klas­sen­zim­mer regel­recht zu ver­bar­ri­ka­die­ren, um die schäd­li­che Aus­wir­kung der Son­nen­strah­len wäh­rend der Fins­ter­nis zu ent­flie­hen. Zwar hat man ein gewis­ses Ver­ständ­nis, die lie­ben Kin­der und Schü­ler nicht zu gefähr­den. Aller­dings gab es ja auch Alter­na­ti­ven im Inter­net zur siche­ren Son­nen­be­ob­ach­tung. Hier hat man es ein­fach ver­säumt, dem Nach­wuchs ein fas­zi­nie­ren­des Natur­schau­spiel näher zu brin­gen und ihnen eine Lehr­stun­de im Bas­teln einer Loch­ka­me­ra zu ertei­len. So ver­sag­ten nicht nur die Leu­te, die den Schü­lern im Lehr­plan eine gewis­se natur­wis­sen­schaft­li­che Grund­bil­dung ver­mit­teln soll­ten, son­dern auch wir Hob­by­as­tro­no­men, allen vor­an aber die Ver­ei­ni­gung der Stern­freun­de e.V. (VdS), die in den Wochen vor der Fins­ter­nis mal mit der Schul­lei­tung und diver­sen Bil­dungs­trä­gern hät­te reden und für die Fins­ter­nis mehr Wer­bung machen können.

Die Sonnenfinsternis zum Zeitpunkt des Maximums

Die Son­nen­fins­ter­nis zum Zeit­punkt des Maxi­mums der Bede­ckung gegen 10:47 Uhr mit dem Bres­ser Skylux 70 mm f/10 & Baa­der-Foli­en­fil­ter (Canon EOS 600D 1/320 Sek., ISO-100)

Aller­dings gab es auch posi­ti­ve Nach­rich­ten zum The­ma. Zahl­rei­che astro­no­mi­sche Ver­ei­ne, Volks­stern­war­ten und Pla­ne­ta­ri­en führ­ten öffent­li­che Beob­ach­tun­gen durch und konn­ten sehr vie­le Besu­chern begrü­ßen, die mal einen gefahr­lo­sen Blick auf die Son­ne ris­kie­ren woll­ten. Mein beson­de­rer Dank gilt all den Hob­by­as­tro­no­men, die sich auf öffent­li­che Plät­ze stell­ten und den vor­bei­ge­hen­den Pas­san­ten die SoFi durch ihr Fern­rohr zeig­ten. Dann hat­te das Wet­ter wenigs­tens für die Men­schen in der Mit­te und im Süden Deutsch­lands ein Ein­se­hen und schick­te die Wol­ken­front des Zwi­schen­tiefs etwas ver­spä­tet auf Reisen.

Auch die HTT-Süd­kur­ve ver­ab­re­de­ten sich zur Fins­ter­nis­be­ob­ach­tung in Finsterwalde.

Sonnenbeobachtung

Die HTT-Süd­kur­ven­mit­glie­der Uwe und Mario beob­ach­ten die Son­nen­fins­ter­nis im Weiß- und H‑Al­pha-Licht

Nach einem rei­chen Früh­stück bei einem Bäcker in Fins­ter­wal­de, fuh­ren wir bei strah­len­den Son­nen­schein raus ins Gewer­be­ge­biet und bau­ten dort unse­re Instru­men­te auf. Gegen 9:38 Uhr kam es dann zum 1. Kon­takt des Neu­mon­des mit der Son­nen­schei­be. Kurz Maxi­mum der Fins­ter­nis bemerk­ten wir einen deut­li­chen Tem­pe­ra­tur­ab­fall, jeden­falls kam es uns so vor. Uwes Wet­ter­sta­ti­on zu Hau­se in Fins­ter­wal­de ver­zeich­ne­te wäh­rend der Fins­ter­nis eine Sta­gna­ti­on der Tem­pe­ra­tur und des Tau­punk­tes. Auch die Land­schaft trüb­te sich ein und das Licht zeig­te sich nahe­zu in einem bläu­lich-sil­ber­nen Grau. Erin­ne­run­gen an die Son­nen­fins­ter­nis 1999 kamen hoch, wo es ein ähn­li­ches Licht vor der maxi­ma­len Bede­ckung gab. Die Schat­ten, so viel uns auf, wur­den bis zur maxi­ma­len Ver­fins­te­rung um 10:47 Uhr eben­falls immer schär­fer. Danach ging es sub­jek­tiv betrach­tet rela­tiv schnell, bis der Mond die Son­ne kurz vor Mit­tag wie­der ver­ließ. Zwi­schen­durch kamen auch eini­ge Auto­fah­rer vor­bei, die aber lei­der nicht anhal­ten woll­ten, um sich das Natur­schau­spiel durch unse­re Tele­sko­pe anzu­gu­cken. Schließ­lich hat­ten wir die ver­schie­dens­ten Instru­men­te auf­ge­baut, die ent­we­der mit einem Glas­son­nen­fil­ter, Son­nen­fil­ter­fo­lie oder mit einem Her­schel­keil aus­ge­stat­tet waren. Durch drei H‑Al­pha-Tele­sko­pe konn­ten wir das Gesche­hen auch im Licht des ioni­sier­ten Was­ser­stoffs betrach­ten und bemerk­ten zahl­rei­che Pro­tu­ber­an­zen am Son­nen­rand und Fackel­ge­bie­te auf der Sonnenscheibe.

Die teilverfinsterte Sonne im H-Alpha-Licht nach dem Maximum um 11:45 Uhr ( Lunt LS 60, Canon EOS 600D 1/50 Sek., ISO-200)

Die teil­ver­fins­ter­te Son­ne im H‑Al­pha-Licht nach dem Maxi­mum um 11:45 Uhr (Lunt LS 60, Canon EOS 600D, 1/50 Sek., ISO-200)

KameraschadenMein ganz per­sön­li­cher Wahn­sinn zur SoFi war dann noch, als mei­ne Kame­ra aus der Tasche fiel und nach 0,8 Meter Flug unsanft auf dem har­ten Beton­bo­den auf­schlug. Ich Genie hat­te es lei­der ver­säumt, die Kame­ra in der Tasche mit dem Ver­schluss zu sichern. Die Canon EOS 600D hat den Sturz mehr oder weni­ger gut über­stan­den. Am Gehäu­se des ein­ge­bau­ten Blit­zes habe ich nun ein paar kräf­ti­ge Schram­men, eine ziem­lich deut­li­che Erin­ne­rung an die Son­nen­fins­ter­nis 2015. Mein teu­res Tam­ron-Objek­tiv mach­te bei der Zoom­funk­ti­on anfangs eini­ge Pro­ble­me, funk­tio­niert jetzt aber wenigs­tens wie­der. Das Gan­ze wer­de ich wei­ter­hin beob­ach­ten und hof­fe, das das Equip­ment doch kei­nen grö­ße­ren Scha­den davon­ge­tra­gen hat. 🙂

Lidlscope mit selbstgebasteltem Sonnenfilter

Lidlscope mit selbst­ge­bas­tel­tem Sonnenfilter

Fazit: Es grenzt an ein Wun­der, dass alle Bür­ger die SoFi über­lebt haben – am Ende auch mei­ne Kame­ra. 😉 Zwar wer­den eini­ge Augen­ärz­te in der nächs­ten Zeit noch mehr Pati­en­ten als üblich haben, weil die­se – der War­nung zum Trotz – ent­we­der unge­schützt oder zu lan­ge durch diver­se Son­nen­bril­len, Ret­tungs­fo­li­en und CDs die Son­ne ange­starrt hat­ten. Und auch der uns in den Medi­en ver­spro­che­ne Black­out blie­ben aus. Den Leu­ten des Bil­dungs­mi­nis­te­ri­ums soll­te bei der Gele­gen­heit auch mal auf die Fin­ger klop­fen, was in den Schu­len eigent­lich gelehrt wird und ob der natur­wis­sen­schaft­li­che Unter­richt even­tu­ell zu kurz kommt. Das SoFi-Bril­len-Spon­so­ring gan­zer Klas­sen­sät­ze, wäre für die nächs­te ver­fins­ter­te Son­ne auch mal eine Über­le­gung wert. Bleibt zu hof­fen, dass die nächs­te von Deutsch­land aus sicht­ba­re Son­nen­fins­ter­nis am 10. Juni 2021, mit einem Bede­ckungs­grad von Knapp 25%, nur posi­ti­ve Mel­dun­gen und fern­ab der Panik­ma­che in den Mas­sen­me­di­en generiert.

Die Südkurve nach der Finsternis

Die Süd­kur­ve nach der Fins­ter­nis © 2015 Uwe Neumann

Wei­ter­füh­ren­de Links:

Samm­lung von Links auf Dani­el Fischers Blog zur Sofi – Sky­week 2.0
SPON – Arti­kel rund um die Sonnenfinsternis

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

3 Kommentare:

  1. Zwei sehr gute Arti­kel von Spek­trum der Wissenschaft/Sterne & Welt­raum zur Son­nen­fins­ter­nis 2015:

    Chan­ce genutzt – Chan­ce ver­tan – Spek­trum der Wissenschaft
    http://www.spektrum.de/news/die-sonnenfinsternis-2015-chance-genutzt-chance-vertan/1339437

    Mei­nung: Augen geschont – Bil­dung zerstört
    http://www.spektrum.de/news/meinung-augen-geschont-bildung-zerstoert/1339488

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