Jedes Teleskop hat seinen Himmel

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…und das ist nicht nur irgend­ei­ne Stan­dard­flos­kel um Besit­zer von Kauf­haus­te­le­sko­pen Mut zu zuspre­chen. Ich glau­be fast jeder der mit der Astro­no­mie anfängt, kauft sich als Ein­stei­ger­ge­rät eines im unte­ren Preissegment.

Das Lidlscope im EinsatzAuch ich bekam vor fast 15 Jah­ren mein ers­tes Tele­skop zum Geburts­tag geschenkt und das in einer Zeit, wo Tele­sko­pe noch rela­tiv teu­er waren. Heut­zu­ta­ge wür­de man schon einen klei­nen Apo fürs Geld bekommt. Aber ich möch­te jetzt nicht über mei­nen ehe­ma­li­gen kata­di­op­tri­schen 6 Zoll New­ton mit kugel­för­mig geschlif­fe­nen Haupt­spie­gel spre­chen, den ich vor eini­gen Jah­ren an mei­nen Kum­pel Ron abge­tre­ten habe. Immer­hin hat­te ich 9 lan­ge Jah­re Freu­de mit die­sem Gerät.

Vor zwei Jah­ren kauf­te ich mir bei einem Lebens­mit­tel­dis­coun­ter in Lüb­ben das Bres­ser Skylux 70 – auch lie­be­voll Lidlscope genannt – für knapp so viel Geld, wie auch Öff­nung in Mil­li­me­tern vor­han­den sind. Und ich bin immer noch erstaunt, was ein klei­nes Tele­skop auch bei Deep Sky Beob­ach­tun­gen leis­ten kann. Vor­aus­set­zung ist natür­lich ein dunk­ler Him­mel, der logi­scher­wei­se durch nichts zu erset­zen ist und einen hohen Ein­fluss auf eine erfolg­rei­che Beob­ach­tung hat. Lei­der hat der Dis­coun­ter es im letz­ten Jahr aus dem Sor­ti­ment genom­men. Aller­dings ist es noch bei diver­sen Online-Händ­lern und über ebay ver­füg­bar. Im Gegen­satz zu den meis­ten Kauf­haus­te­le­sko­pen besitzt es eine ordent­li­che Optik und eine rela­tiv sta­bi­le Montierung. 

Am 22. Janu­ar 2009 beob­ach­tet ich mal wie­der mit die­sem Gerät, wel­ches ich nor­ma­ler­wei­se zum Schnell­spech­teln im Win­ter und für Mond- und Kome­ten­be­ob­ach­tun­gen ver­wen­de. Der Vor­teil eines klei­nen Tele­skops ist nicht von der Hand zu wei­sen: Es ist rela­tiv schnell ein­ge­packt, auf­ge­baut und auch aus­ge­kühlt. So fuhr ich nach dem Abend­essen zu unse­ren Beobachtungsplatz.

Am Platz ange­kom­men prä­sen­tier­te sich ein wun­der­bar kla­rer Him­mel. Venus stand als glei­ßend hel­ler Abend­stern im Süd­wes­ten. Lei­der herrsch­te schlech­tes See­ing vor, aber ich woll­te sowie­so nicht hoch ver­grö­ßern. Die Win­ter­milch­stra­ße spann­te sich unge­wohnt deut­lich von Hori­zont zu Hori­zont und quer über den Him­mel. Die Zenit­ge­gend und die Stern­bil­der Klei­ner Bär und Ori­on waren mit schwa­chen Ster­nen über­füllt. Auch konn­ten die süd­li­chen Ster­ne des Gro­ßen Hun­des knapp über dem Hori­zont erkannt wer­den. Der in die­sem Stern­bild gele­ge­ne offe­ne Stern­hau­fen M 41 war als klei­nes Wölk­chen in nur 10° Höhe erkenn­bar. Ein Beweis, für einen sehr trans­pa­ren­ten Him­mel und eine über­durch­schnitt­lich gute Grenz­grö­ße von rund 6,8 mag!

Der Ori­on­ne­bel M 42 war mit mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung ein­fach über­wäl­ti­gend und hat­te die Form einer Möwe mit aus­ge­brei­te­ten Schwin­gen mit hell und dun­kel Varia­tio­nen. Selbst mit die­ser gerin­gen Öff­nung zeig­te der Nebel zahl­rei­che Struk­tu­ren. Auch das so genann­te Fisch­maul, eine Dun­kel­wol­ke die ins Nebel­zen­trum ragt, stand im guten Kon­trast zu ihm im Oku­lar. Die Tra­pez­ster­ne konn­ten bei höhe­rer Ver­grö­ße­rung schon getrennt wer­den. Nörd­lich des Nebels war sogar der Refle­xi­ons­ne­bel um die Ster­ne 42 und 45 Ori sichtbar.
Danach ging es zum ein­drucks­vol­len Offe­nen Stern­hau­fen M 35 nebst Beglei­ter in den Zwil­lin­gen. Der Beglei­ter NGC 2158, eben­falls ein Offe­ner Stern­hau­fen aller­dings weit im Hin­ter­grund gele­gen, kann nor­ma­ler­wei­se ab einer Tele­s­ko­pöff­nung von 100 mm sicher erkannt wer­den. Mit 70 mm war es mir aber ohne Pro­ble­me mög­lich den Hau­fen als klei­nes Wölk­chen, 15 Bogen­mi­nu­ten süd­west­lich von M 35, zu identifizieren.
Über­rascht war ich dann von NGC 2175 im Ori­on, der als Offe­ner Stern­hau­fen nicht gera­de vie­le Ster­ne auf­zu­wei­sen hat­te. Das Beson­de­re dar­an war, und was ich erst hin­ter­her erfuhr nach­dem ich am nächs­ten Tag mein Stern­kar­ten­pro­gramm kon­sul­tier­te, dass ich tat­säch­lich den Emis­si­ons­ne­bel NGC 2174 um den Stern­hau­fen erkannt habe. Und das ohne Nebel­fil­ter! Zuerst ging ich davon aus, hier schwa­che und unauf­ge­lös­te Ster­ne vor mir zu haben. Schon bemer­kens­wert für ein so klei­nes Gerät.
Auch beim Gala­xien­paar M 81 und M 82 im Gro­ßen Bären zeig­ten sich schon eini­ge Details. Bei­de Gala­xien stan­den bei mitt­le­rer Ver­grö­ße­rung noch im sel­ben Gesichts­feld. Ins­be­son­de­re bei der zigar­ren­för­mi­gen Gala­xie M 82 zeig­ten sich eini­ge Struk­tu­ren. Ich mein­te, unre­gel­mä­ßi­ge Hel­lig­keits­va­ria­tio­nen im Gala­xien­kör­per wahr­zu­neh­men. Inter­es­sant, weil Struk­tu­ren eigent­lich erst bei grö­ße­rer Öff­nung zu erwar­ten sind.

Man sieht also, dass eini­ge Anfän­ger­te­le­sko­pe zu unrecht ein Schat­ten­da­sein füh­ren und auch mit die­sen Gerä­ten inter­es­san­te Beob­ach­tun­gen mög­lich sind. Denn selbst Besit­zer von Bil­lig­hei­mern sind heut­zu­ta­ge bes­ser aus­ge­rüs­tet als Galilei. 🙂

Link zum voll­stän­di­gen Bericht auf mei­ner Homepage…

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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