Erlebnis Venustransit

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Am frü­hen Mor­gen des 6. Juni 2012 gab es DAS astro­no­mi­sche Ereig­nis des Jah­res: An die­sem Mor­gen zog die Venus – übri­gens zum letz­ten Mal in die­sem Jahr­hun­dert – als schwar­ze Sil­hou­et­te vor der Son­nen­schei­be vor­über. Von Deutsch­land aus war nach Son­nen­auf­gang nur das Ende des Venus­tran­sits zu beob­ach­ten vor­aus­ge­setzt, die Wol­ken lie­ßen eine Beob­ach­tung die­ses ein­ma­li­gen Natur­schau­spiels über­haupt zu.

Am Vor­abend des Venus­tran­sits ver­ab­schie­den wir Ingo und Uwe in die Nacht

Mei­ne Astro­kol­le­gen und ich befan­den uns zu die­sem Zeit­punkt in der Nähe der För­der­brü­cke F60 im ehe­ma­li­gen Tage­bau Lich­ter­feld-Schacksdorf. Im Gegen­satz zum Wes­ten Deutsch­land, wo Wol­ken und Regen den Beob­ach­tungs­ge­nuss trüb­ten, hat­ten wir am Ende sehr viel Glück mit dem Wet­ter. Die ange­kün­dig­te Wol­ken­front des Zwi­schen­tiefs traf pünkt­lich eine hal­be Stun­de nach dem Ende des Jahr­hun­dert­ereig­nis­ses ein, so dass wir den Aus­tritt der Venus, bis zum 4. Kon­takt, in unse­ren Tele­sko­pen ver­fol­gen konnten.

Mor­gen­däm­me­rung im ehe­ma­li­gen Tage­bau Lichterfeld-Schacksdorf

Bereits am Nach­mit­tag des 5. Juni pack­te ich mei­ne Aus­rüs­tung ins Auto und fuhr nach Fins­ter­wal­de. Zusam­men mit mei­nen Astro­kol­le­gen Uwe und Mario, eben­falls aus Fins­ter­wal­de, sowie Ste­fan von den Kirch­hai­ner Stern­freun­den, tra­fen wir uns am Vor­abend in Mari­os Gar­ten, um uns mit frisch gegrill­ten Würst­chen, Steaks und Bier see­lisch und mora­lisch auf das bevor­ste­hen­de Ereig­nis ein­zu­stim­men. Spä­ter am Abend tra­fen tra­fen wir noch mit unse­ren säch­si­schen Freun­den Uwe und Ingo zusam­men. Wir fuh­ren zu der Stel­le, an dem wir am Mor­gen des 6. Juni den Venus­durch­gang beob­ach­ten wollten. 

Kon­dens­strei­fen in der Morgendämmerung

Hier ver­sprach eine gute Hori­zont­sicht eine opti­ma­le Beob­ach­tung des Tran­sits schon bei Son­nen­auf­gang. Die bei­den woll­ten hier die Nacht bei küh­len Tem­pe­ra­tu­ren um 4°C ver­brin­gen und noch ein biss­chen den abneh­men­den Mond und den Pla­ne­ten Saturn beob­ach­ten. Wir soll­ten am frü­hen Mor­gen, unge­fähr 1 Stun­de vor Son­nen­auf­gang, zu ihnen sto­ßen. Ein „Betre­ten ver­bo­ten – Lebens­ge­fahr“ – Schild ver­un­si­cher­ten uns ein wenig. Auch befürch­te­ten wir, dass der Wach­schutz unse­re Freun­de von der aus­ge­such­ten Stel­le ver­trei­ben wür­den. Denn das ehe­ma­li­ge Tage­bau­ge­län­de ist nach wie vor kein unge­fähr­li­cher Ort. Am Abend riss der Him­mel auf und bei Son­nen­un­ter­gang zeig­te sich eine net­te Halo-Erschei­nung in Form von zwei Nebensonnen.

Licht­säu­le am Sonnenaufgangspunkt

Nach einer eher unru­hi­gen Nacht mit wenig Schlaf klin­gel­te der Wecker um 3 Uhr mor­gens. Ein Blick aus dem Fens­ter stimm­te uns zuver­sicht­lich. Die Mor­gen­däm­me­rung hat­te schon ein­ge­setzt und es zeig­ten sich nur leich­te Zir­ren am Him­mel. Ich schal­te­te den Com­pu­ter an und klick­te auf mei­ner Home­page auf das SOHO-Bild, das schon die Venus vor der Son­nen­schei­be zeig­te. Nach einem wei­te­ren Blick auf den Wet­ter­be­richt und das aktu­el­le Satel­li­ten­bild von Mete­oblue ver­lie­ßen wir das Haus.

War­ten auf den Sonnenaufgang

Gegen 3:30 Uhr war noch nie­mand auf der Stra­ße, so dass wir schnell und unge­stört zu unse­rem Beob­ach­tungs­platz gelan­gen konn­ten. Unse­re säch­si­schen Astro­kum­pels schlie­fen noch, so dass wir erst­mal die Tele­sko­pe in aller Ruhe auf­bau­ten. Eine hal­be Stun­de spä­ter waren mit Mario und Ste­fan auch der Rest unse­rer Trup­pe der tran­sit­hung­ri­gen Beob­ach­ter voll­stän­dig versammelt.

Lidlscope mit Sonnenfilter

Lei­der stell­te sich her­aus, dass Uwe’s Celestron-Mon­tie­rung Pro­ble­me mach­te. Der ange­schlos­se­ne Blei­gel­ak­ku mach­te eben­falls schlapp, so dass er kurz ent­schlos­sen noch mal nach Hau­se fuhr, um die ande­re Mon­tie­rung zu holen. Auch Ste­fan hat­te Pro­ble­me. Es zeig­te sich, dass die Siche­rung sei­nes 12V Anschluss­ka­bels für die LXD75 durch­ge­brannt war. Glück­li­cher­wei­se konn­te Uwe aus Chem­nitz ihn mit einem Akku und einem Anschluss­ka­bel aus der Pat­sche hel­fen. Auch ich wur­de von Schwie­rig­kei­ten nicht verschont. 

Der abneh­men­de Mond am Morgenhimmel

Der Son­nen­pro­jek­ti­ons­schirm hielt nicht an mei­nem Fern­glas, so dass das Instru­men­ta­ri­um, auf­grund der schie­fen Optik, im Nach­hin­ein kein schar­fes Son­nen­bild zu Stan­de brach­te. Die Akkus von Mari­os Digi­knip­se mach­ten eben­falls schon früh schlapp, so dass ich ihn mit fri­schen Akkus aus mei­nem Fun­dus aus­stat­ten muss­te. Die ein­zi­gen Leu­te vor Ort, die halb­wegs ent­spannt blie­ben, waren unse­re säch­si­schen Mit­be­ob­ach­ter. Nach einer Wei­le hör­ten wir in wei­ter Fer­ne schon Uwes VW die Land­stra­ße in Rich­tung Lauch­ham­mer ent­lang bret­tern. So konn­te er noch recht­zei­tig vor Son­nen­auf­gang auch sein Tele­skop in Stel­lung bringen.

Das ers­te Bild der auf­ge­hen­den Son­ne mit der Venus gelang mit dem 70–300 mm Teleobjektiv

Bis Heli­os sich end­lich hin­ter dem Hori­zont erhob, muss­te noch der im Wes­ten unter­ge­hen­de Mond für eine kur­ze Beob­ach­tung her­hal­ten. Uwe hat­te sich mit der Stel­le des Son­nen­auf­gangs etwas ver­schätzt, so dass wir noch etwas län­ger war­ten muss­ten, bis wir die Son­ne zu Gesicht beka­men. Am Son­nen­auf­gangs­punkt sah man schon unge­fähr eine hal­be Stun­de vor­her eine hüb­sche Licht­säu­le und spä­ter auf­grund der dich­ten Zir­rus­be­wöl­kung in Hori­zont­nä­he eine Art Gegensonne. 

Auf­grund der Nähe zum Hori­zont erscheint die Son­ne noch nicht ganz rund

Bis zum 3. Kon­takt, der gegen 6:50 Uhr statt­fin­den soll­te, beob­ach­te ich durch die Tele­sko­pe mei­ner Mit­be­ob­ach­ter und nahm ab und zu auch ein Foto mit mei­ner EOS 1000D auf. Mario ver­such­te die Son­ne mit­samt der Venus mit­tels Oku­lar­pro­jek­ti­on auf­zu­neh­men. Ste­fans Kame­ra hing am Oku­lar­aus­zug sei­nes Refrak­tors. Er schoss Bil­der, bis der Akku sei­ner Kame­ra erschöpft war. Danach nahm er mit einer Web­cam, die am Aus­zugs sei­nes 6 Zoll New­tons hing, das Ereig­nis bis kurz vor dem 3. Kon­takt als Video auf. In Uwes Taka­ha­shi, der mit einem Her­schel­keil aus­ge­stat­tet war, konn­te man unser Zen­tral­ge­stirn kon­trast­reich beobachten. 

Unser säch­si­scher Astro­freund Ingo bei der Beobachtung

An der Mon­tie­rungs­schie­ne befand sich auch sein Lunt H‑Al­pha-Tele­skop, das einen unver­gess­li­chen Anblick der Venus mit­samt den zahl­rei­chen Fackel­ge­bie­ten und Pro­tu­ber­an­zen lie­fer­te. Beim ande­ren Uwe konn­te ich nach dem 3. Kon­takt sogar den Lichtsaum in der Venus­at­mo­sphä­re erah­nen. Ingo war von der Aus­rüs­tung her der pro­fes­sio­nells­te unter uns Beob­ach­tern und zeich­ne­te den Tran­sit mit sei­nem Lap­top auf. Zwi­schen­durch klemm­te er sei­ne Web­cam auch an Uwes H‑Alpha Tele­skop. Auf dem Bild­schirm sei­nes Lap­tops schau­end waren wir uns sicher, sehr bald von ihm die bes­ten Auf­nah­men die­ses Jahr­hun­dert­ereig­nis­ses zu Gesicht zu bekommen.

Venus vor der Sonnenscheibe

Dann end­lich lug­te unser Tages­ge­stirn kurz nach 5 Uhr hin­ter einer Wol­ken­bank her­vor. Der glei­ßend hel­le Licht­ball mit­samt der Venus als dunk­ler Punkt erhob sich lang­sam aber sicher über den Hori­zont, so dass ich mehr schlecht als recht als ers­ter den Tran­sits auf den Kame­ra­chip mei­ner Canon EOS 600D ban­nen konn­te. Ab hier waren wir nicht mehr zu hal­ten: Über den gan­zen Platz hör­te man Begeisterungsrufe. 

War­ten auf den 3. Kontakt

Die Venus war als schwar­zes Scheib­chen im rech­ten obe­ren Qua­dran­ten der Son­ne sicht­bar. Zu die­sem Zeit­punkt schoss ich auch mei­ne ers­ten Auf­nah­men durch mein Lidlscope, an dem mei­ne Canon EOS 1000D befes­tigt war. Ich hat­te aller­dings eini­ge Schwie­rig­kei­ten, das Son­nen­bild über­haupt scharf zu bekom­men. Kein Wun­der, schließ­lich befand sich die Son­ne nur weni­ge Grad über dem Horizont.

Die Venus nähert sich lang­sam dem Sonnenrand

Mit Span­nung war­te­ten wir gegen Drei­vier­tel­sie­ben auf den 3. Kon­takt. Auf­grund des rela­tiv schlech­ten Seeings und der hohen Zir­rus­be­wöl­kung zeig­te sich das berühmt berüch­tig­te Trop­fen­phä­no­men schon recht deut­lich aus­ge­prägt. Danach benö­tig­te die Venus bis zum voll­stän­di­gen Ver­las­sen der Son­nen­schei­be noch knapp 5 Minu­ten. Ich klemm­te die EOS 1000D vom Oku­lar­aus­zug ab und konn­te die letz­ten Minu­ten des Ereig­nis­ses mit mei­nen eige­nen Augen und durch mein eige­nes Tele­skop verfolgen.

Trop­fen­phä­no­men beim 3. Kontakt

Nach­dem die Venus die Son­nen­schei­be für die nächs­ten 105 ½ Jah­re ver­las­sen hat­te, mach­te sich eine eupho­ri­sche Stim­mung breit. Sie erin­ner­te mich an damals, als ich die tota­le Son­nen­fins­ter­nis am 11. August 1999 vom Chiem­see aus ver­fol­gen konn­te. Wäh­rend des Abbaus der Instru­men­te ver­schwand die Son­ne lang­sam hin­ter den auf­kom­men­den Wolken. 

Die Venus kurz vor dem 4. Kontakt

Bis zur Ver­ab­schie­dung unse­rer Trup­pe, war sie voll­stän­dig im Wol­ken­meer ver­schwun­den. Nach der Ver­ab­schie­dung fuh­ren Uwe und ich nach Fins­ter­wal­de, um aus­gie­big zu früh­stü­cken. Wie­der zu Hau­se ange­kom­men sich­te­ten wir die ers­ten Bil­der und ver­öf­fent­lich­ten sogleich eini­ge Fotos bei Face­book und im Astro­treff-Forum, wo in der Zwi­schen­zeit nach und nach die Bil­der und Beob­ach­tungs­be­rich­te ein­tra­fen. Selbst die Kirch­hai­ner Stern­freun­de, die in der Nähe von Weh­renz­hain auf dem Acker stan­den, konn­ten mei­ner Mei­nung nach das fas­zi­nie­rends­te Bild des Tran­sits bei­steu­ern: Es zeigt die Son­ne mit ihren Fle­cken mit­samt der Venus und einem Flug­zeug als Doppeltransit.

Mit­glie­der der HTT-Süd­kur­ve nach dem Tran­sit (von links: Mario, Uwe A., Andre­as, Uwe N., Ste­fan, Ingo)

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

10 Kommentare:

  1. Tol­ler Bericht, unver­gess­lich für alle die dabei waren.
    Auch das Wet­ter spiel­te mit , wie bestellt.
    Unse­re Son­nen­bil­der kön­nen ohne wei­te­res mit Bil­dern ande­rer Ster­nen­freun­de mithalten.
    cS. Uwe…

  2. Ingo und die Stern­freun­de um Ralf Hof­ner haben nun eben­falls ers­te Bil­der vom Venus­tran­sit veröffentlicht…
    http://www.astronomie-klingonio.de/galerie/index.php?twg_album=Venustransit-2012

    Das Astro­Team konn­te sogar den Lomo­no­sov-Effekt nachweisen:
    http://www.herzberger-teleskoptreffen.de/events/vt2012/index.php

  3. Wie­der ein tol­ler Bericht von dir!

    Grü­ße von uns Kirch­hai­nern, die auch mal gutes Wet­ter hatten!

  4. Dan­ke Andre­as, für den schö­nen Bericht. Wir hat­ten hier im Pader­bor­ner Land weni­ger Glück, lei­der! Aber so kann ich mir vor­stel­len, wie es hät­te sein können 😉

    LG aus NRW, Steffi

  5. @Steffi: Der Tran­sit war schon ein tol­les Erlebnis. 🙂

    Edit: Die Bil­der­ga­le­rie zum Tran­sit ist nun online…

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