Milchstraße, Cirrus und andere Katastrophen

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Damals, am 14. August 1993, also genau vor 20 Jah­ren, führ­te ein Zei­tungs­ar­ti­kel über den Per­sei­den­schau­er in der Lau­sit­zer Rund­schau zu dem Ent­schluss, Astro­no­mie als Hob­by zu betrei­ben. Davor hat­te ich mich schon als Kind ab und zu mit dem Welt­raum beschäf­tigt. Zum Bei­spiel besuch­te ich regel­mä­ßig den Trai­nings­kol­le­gen mei­nes Vaters, der schon zu DDR-Zei­ten meh­re­re Tele­sko­pe von Zeiss besaß und Ende der 80er Jah­re sogar einen 10 ½ Zöl­ler in Eigen­re­gie selbst gebaut hat­te. Die Erin­ne­rung an die ers­te Nacht unterm Stern­him­mel ist noch so leben­dig wie zuvor.

Und wie fei­ert man so ein Jubi­lä­um? Natür­lich in dem man beobachtet. 🙂

In jener Nacht des 14. August 2013 zeigt das Ther­mo­me­ter schon unan­ge­neh­me 5° C an – ein klei­ner Vor­ge­schmack auf den kom­men­den Herbst. Außer­dem herrscht eine hohe Luft­feuch­tig­keit vor, da es an den ver­gan­ge­nen Tagen gereg­net hat­te. Ich baue ganz in Ruhe auf, weil der Mond erst eine hal­be Stun­de vor Mit­ter­nacht unter dem Hori­zont ver­schwin­den soll. Die Astro­trac steht gut ein­gen­or­det nach rund einer hal­ben Stun­de. Und selbst der Dobson ist schon auf­ge­baut und am Aus­küh­len, so dass ich erst mal einen Blick auf den zuneh­men­den Mond ris­kie­re. Ich stau­ne nicht schlecht, denn das See­ing ist über­ra­schend gut, selbst in Horizontnähe.
Schließ­lich ist es soweit und der Mond lugt nur noch 2° über dem süd­west­li­chen Hori­zont. Ich mon­tie­re den Cokin-Fil­ter auf das 17–50 mm Tam­ron-Objek­tiv und stei­ge gera­de wie­der aus dem Auto aus, als der Kame­ra­gurt am Fah­rer­sitz hän­gen bleibt. Die Kame­ra, mit­samt dem Objekt, segelt aus gut einen hal­ben Meter Höhe in Rich­tung Erdboden.

Schock­mo­ment!! 😮

Das ist mir wirk­lich noch nie pas­siert, dass ich eine DSLR habe fal­len las­sen. Panik steigt lang­sam auf und sogleich über­prü­fe ich die Funk­tio­nen der Kame­ra und des Objek­tivs. Glück­li­cher­wei­se haben bei­de den Sturz gut über­stan­den und funk­tio­nie­ren immer noch tadel­los. Der Cokin-Fil­ter­hal­ter hat den Sturz wohl sehr gut abge­fe­dert. Nicht mal ein Krat­zer oder eine Beu­le ist vor­han­den. Der Zwi­schen­fall ist mir auf jeden Fall eine Leh­re, bei mei­nem teu­ren Equip­ment doch etwas bes­ser aufzupassen. 😉

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Die Som­mer­milch­stra­ße in den Stern­bil­dern Schwan bis Schild

Nach die­sem klei­nen unan­ge­neh­men Zwi­schen­fall ist als ers­tes die Som­mer­milch­stra­ße an der Rei­he: Ich mon­tie­re die Kame­ra auf die Astro­trac und neh­me eine Serie von 8 Bil­der á 10 Minu­ten Belich­tungs­zeit bei Blen­de 4 und 17 mm Brenn­wei­te auf. Am Ende der Belich­tung und bei nähe­rer Betrach­tung bei 100% am Kame­ra­bild­schirm stel­le ich aller­dings fest, dass mein Tam­ron nicht gera­de astro­taug­lich ist. Selbst bei f/4 zeigt es am Bild­feld­rand noch signi­fi­kan­te Bild­fel­der wie Koma und CR’s. Unter Umstän­den müss­te es sogar bis auf f/5.6 abge­blen­det wer­den. Selbst das Canon EF‑S 18–50 Zoom-Kit ist im Weit­win­kel­be­reich für Him­mels­auf­nah­men deut­lich bes­ser geeig­net, obwohl es licht­schwä­cher, bil­li­ger und nicht so hoch­wer­tig ver­ar­bei­tet ist.

Nach der Auf­nah­me der Milch­stra­ße mon­tie­re ich das Tam­ron 70–300 mm Tele­ob­jek­tiv und zie­le mit der Aus­rüs­tung in Rich­tung Cir­rus­ne­bel im Stern­bild Schwan. Auch die­ses Objek­tiv zeigt bei f/5 am Rand eini­ge Bild­feh­ler. Viel­leicht sind auch die Lin­sen nicht ganz zen­trisch zuein­an­der ange­ord­net. Oder bin ich mitt­ler­wei­le zu ver­wöhnt und anspruchs­voll, weil ich in letz­ter Zeit nur mit Fest­brenn­wei­ten foto­gra­fiert habe? Bei Pro­be­auf­nah­men, wie lan­ge ich bei 200 mm ohne Nach­führ­feh­ler belich­ten kann, wun­de­re ich mich über Strichspu­ren am Bild­feld­rand. So über­prü­fe ich noch ein­mal die kor­rek­te Ein­nordung der Mon­tie­rung, kann aber kei­nen Feh­ler fest­stel­len, bis ich bemer­ke, dass der Objek­tiv­tu­bus lang­sam in die Aus­gangs­stel­lung fährt. Kein Wun­der, zeigt die Kame­ra doch nahe­zu direkt in Rich­tung Zenit. Glück­li­cher­wei­se habe ich immer etwas Iso­band im Beob­ach­ter­kof­fer, so dass ich mit 3 Kle­be­strei­fen das Objek­tiv davon abbrin­gen kann, in die Aus­gangs­stel­lung zu fah­ren. Nun belich­te ich 20 x 5 Minu­ten. Auf dem Bild­schirm der Kame­ra zeich­net sich der Super­no­va­über­rest schon sehr schön ab. Ich bin gespannt auf das fer­ti­ge Bild…

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Der Cir­rus­ne­bel im Stern­bild Schwan

Wäh­rend der Belich­tung ver­trei­be ich mir die Zeit mit der Beob­ach­tung des Stern­him­mels. Ich neh­me eini­ge Gala­xien des Herbst­him­mels aufs Korn und kann mich u.a. am Andro­me­da­ne­bel ein­fach nicht satt sehen, der das dop­pel­te Gesichts­feld des 32 mm Oku­lars ein­nimmt. Als neue Objek­te beob­ach­te ich Mes­sier 40 im Gro­ßen Bären sowie Mes­sier 77 im Wal­fisch sowie eini­ge sehr schwa­che Gala­xien im Stern­bild der Fische. Auch eini­ge Stan­dard­ob­jek­te des Som­mer­him­mels sind wie­der mit dabei. Mein SQM‑L zeigt kurz nach Mit­ter­nacht einen Wert von 21,31 mag/arcsec² an. Außer­dem kann ich gegen Mor­gen noch eini­ge Per­sei­den­nach­züg­ler beob­ach­ten. Dar­un­ter ist ein äußerst hel­ler Mete­or von ‑3 mag Hel­lig­keit. Beob­ach­tungs­en­de ist dann gegen 3:30 Uhr…

Am nächs­ten Mor­gen bear­bei­te ich die Fotos und muss auf den Flats fest­stel­len, dass sich ein Art Fus­sel auf dem Sen­sor­glas breit­ge­macht hat. Ein kräf­ti­ger Stoß aus dem Bla­se­balg hilft nicht, den Fremd­kör­per zu ent­fer­nen, so dass ich mich genö­tigt sehe, eine Nass­rei­ni­gung durch­zu­füh­ren. Aller­dings ist die­ses Pro­ze­de­re eben­falls nicht von Erfolg gekrönt. Der Fus­sel bleibt auf oder unter dem Sen­sor­glas und ver­än­der­te nur ein wenig sei­ne Posi­ti­on. Lei­der ist die­ser selbst bei nied­ri­ger Blen­den­zahl als dunk­ler brei­ter Schat­ten sicht­bar. So muss ich eini­ge Tage spä­ter die Kame­ra doch noch einschicken.

Nova Delphini 2013Neben dem ärger­li­chen Fus­sel, gibt es am Mor­gen des 15. August noch eine posi­ti­ve Über­ra­schung: Stern­freun­de auf Twit­ter und in diver­sen Astro­fo­ren ver­mel­den die Ent­de­ckung einer hel­len Nova im Stern­bild Del­phin – just an jenem Abend, wo ich die Kame­ra in Rich­tung der Som­mer­milch­stra­ße gehal­ten hat­te. Und tat­säch­lich ist die Nova Del­phi­ni 2013 auf den Roh­bil­dern mit abge­bil­det. Die Nova erreich­te am dar­auf­fol­gen­den Tag auch ihr Maximum.

Am Abend des 16. August beob­ach­te­ten mei­ne bei­den Astro­kum­pels und ich das Objekt mit unse­ren Fern­glä­sern in Trep­pen­dorf. Der „neue Stern“ war als 4,5 mag hel­les Objekt bereits sehr leicht mit blo­ßem Auge sicht­bar – trotz des hel­len Mondlichts…

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

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