Tivoli – Warme Kleidung wird überbewertet

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Zwi­schen dem 12. bis 17. Mai 2018 besuch­ten wir die Astro­farm Tivo­li in Nami­bia, fast genau vier Jah­re nach unse­rem 1. Auf­ent­halt Ende Mai 2014. Und dies­mal hat­ten sich gleich sechs unse­rer Astro­freun­de zeit­gleich mit uns dort ein­ge­mie­tet. Spee­dy und Gor­den reis­ten knapp eine Woche vor uns an und waren ein paar Tage lang die ein­zi­gen Hob­by­as­tro­no­men auf der Farm. Mario und sei­ne Freun­din erreich­ten nur einen Tag vor uns Tivo­li. Unse­re vier­köp­fi­ge Rei­se­grup­pe brach schließ­lich am 11. Mai gegen Mit­tag die Rei­se nach Nami­bia an. Für unse­re Beglei­ter, die Mül­lers, war es übri­gens der 1. Auf­ent­halt in Namibia.

Der 10 stün­di­ge Flug in den Süden Afri­kas ver­lief ohne Zwi­schen­fäl­le. Ich hat­te Dank eini­ger frei­er Plät­ze im Flie­ger einen Fens­ter­platz ergat­tert und konn­te in der Nacht auf Höhe des Äqua­tors schon das Kreuz des Südens sehen. Unter­halb die­ses mar­kan­ten süd­li­chen Stern­bilds tob­te sich eine Gewit­ter aus, was aus 10.000 Metern Höhe einen fan­tas­ti­schen Anblick bot. Dann am Wind­hoe­ker Flug­ha­fen der Schock: Mein Kof­fer mit der Astro­aus­rüs­tung und den Wech­sel­kla­mot­ten fehl­te! Aber ich war nicht der ein­zi­ge Pas­sa­gier, deren Kof­fer es nicht auf dem Band der Gepäck­aus­ga­be schaff­te. Ins­ge­samt vier Gepäck­stü­cke blie­ben ver­schwun­den und stan­den wohl 11.000 km ent­fernt noch auf dem Frank­fur­ter Flug­ha­fen. Die Abrei­se aus Wind­hoek ver­zö­ger­te sich des­halb ein wenig, weil wir noch eine Ver­lust­an­zei­ge auf­ge­ben muss­ten. Unser Fah­rer, der uns auf die Astro­farm brin­gen soll­te, war aber recht gedul­dig und bedau­er­te mein Unglück. Nach einer zwei stün­di­gen Fahrt zur Farm, vor­wie­gend auf Schot­ter­pis­ten, über­gab ich die Unter­la­gen mei­nes Kof­fer sogleich unse­ren Gast­ge­bern, die ver­spro­chen hat­ten, sich dar­um zu küm­mern. Die Kon­se­quenz des feh­len­den Gepäcks war, dass ich mei­nen astro­no­mi­sche Pla­nung voll­kom­men über den Hau­fen schmei­ßen muss­te. Ich wuss­te auch nicht, wann die­ser genau bei mir ein­tref­fen wür­de – wenn über­haupt. Um in der Nacht nicht zu frie­ren war ich gezwun­gen, mir eine Fließ­ja­cke zu kau­fen, die ich über mei­ne ande­re Jacke trug und hoff­te, so die Nacht zu über­le­ben. Außer­dem mie­tet ich mir noch ein Foto­sta­tiv, um wenigs­tens ein paar Stim­mungs­auf­nah­men vom süd­li­chen Ster­nen­him­mel anfer­ti­gen zu können.

Unser Stand­ort in den ers­ten bei­den Näch­ten nahe des rus­si­schen Astel­co Robo­tic Telescope

Zum Früh­stück gab es die ers­te Über­ra­schung: Wir tra­fen auf Eisen­bahn­er­pen­sio­när Jür­gen, den wir schon von unse­rem letz­ten Auf­ent­halt vor vier Jah­ren kann­ten. Der älte­re Herr und Ket­ten­rau­cher hat­te dies­mal gleich zwei Stern­war­ten gemie­tet. Ins­ge­samt waren wir 14 Stern­freun­de auf der Farm und wir freun­de­ten uns sogleich mit Bea an, Mit­glied der Ham­bur­ger Stern­freun­de GvA, die das Hob­by erst seit knapp zwei Jah­ren betrieb und auf Tivo­li einen eige­nen gro­ßen Dobson gemie­tet hat­te. Sie führ­te sys­te­ma­tisch Buch über ihre Beob­ach­tun­gen, ähn­lich wie wir im Jahr 2014, als wir die Lis­te der bes­ten Deep-Sky-Objek­te des Süd­him­mels abarbeiteten.

Das galak­ti­sche Zen­trum unse­rer eige­nen Gala­xie noch nied­rig am Osthimmel

Nach dem Abend­essen, das auf­grund der Zeit­um­stel­lung wäh­rend der Däm­me­rungs­zeit statt­fand – Nami­bia hat im Jahr 2018 die Win­ter­zeit abge­schafft – ging es sogleich an die Gerä­te. Der Beginn der Nacht war noch rela­tiv mild und für leicht beklei­de­te Stern­freun­de ange­nehm. Spä­ter in der Nacht soll­te das Ther­mo­me­ter auf 6°C sin­ken. Die Durch­sicht war lei­der recht durch­schnitt­lich und es zogen kurz nach Mit­ter­nacht sogar ein­zel­ne Wol­ken­fel­der durch. Die Wol­ken hoben sich auf­grund der nicht vor­han­de­nen Licht­ver­schmut­zung pech­schwarz vom Him­mels­hin­ter­grund ab. Ein unge­wöhn­li­cher Anblick. In Hori­zont­nä­he war eine leich­te Dunst­schicht unser stän­di­ger Beglei­ter, so dass die Magel­lan­schen Wol­ken dort regel­recht ver­schwan­den. Vor eini­gen Tagen gab es in der Nacht sogar Tau auf den Gerä­ten, wie mir Spee­dy mit­teil­te. Wir hat­ten für die ers­ten zwei Näch­te einen Obses­si­on Dobson von 15 Zoll Spie­gel­durch­mes­ser gemie­tet. Ein herr­li­ches Instru­ment, was sehr gut ver­ar­bei­tet war. Die manu­el­le Nach­füh­rung ging but­ter­weich von der Hand und wir beob­ach­te­ten in bei­den Näch­ten die Stan­dard­ob­jek­te des Süd­him­mels sowie eini­ge Objek­te aus der Dun­lop-Lis­te ab. Für Tors­ten und Gabi, unse­re Rei­se­be­glei­ter, war der Anblick des Süd­him­mels eine regel­rech­te Offen­ba­rung. Uwe brach­te sei­ne Pola­ri Nach­füh­rung in Stel­lung und ich musst ihn dabei hel­fen, die Mon­tie­rung auf den süd­li­chen Him­mels­pol aus­zu­rich­ten. Ich ori­en­tie­re mich immer am mar­kan­ten süd­li­chen Stern­bild Apus. Am 1. Abend ging das, auf­grund der eher schlech­ten Bedin­gun­gen noch etwas zöger­lich von der Hand. Am 2. Abend gelang es mir, sei­en Mon­tie­rung in weni­ger als zwei Minu­ten auf den Pol aus­zu­rich­ten. Denn wenn man weiß, wo der Him­mels­pol genau zu fin­den ist, ist es mit­un­ter deut­lich ein­fa­cher, die Mon­tie­rung ein­zu­stel­len. Denn die Lage der mar­kan­ten Rau­te im Stern­bild Oktant, wo der süd­li­che Polar­stern Sig­ma Octan­tis zu fin­den ist hilft dabei, die auch von der Stern­zeit her kor­rek­te Aus­rich­tung auf den Pol zu finden.

Die süd­li­chen Stern­bil­der mit den Tivoli-Palmen

Am nächs­ten Mor­gen war der Kof­fer lei­der immer noch nicht da. Damit ich wenigs­tens eine Klei­nig­keit zu wech­seln hat­te, schenk­ten mir die Schrei­bers zwei Tivo­li-Shirts. Kurz vor dem Kaf­fee frag­te ich noch mal Rein­hold, ob er in der Zwi­schen­zeit irgend­was errei­chen konn­te. Sei­ne Ver­nei­nung mach­te mir wenig Mut, denn Sonn­tags war kei­ne Hot­line am Flug­ha­fen besetzt. Erschwe­rend kam noch hin­zu, dass lan­des­weit das Fest­netz und das Inter­net aus­ge­fal­len war und die Leu­te am Flug­ha­fen lei­der nicht die Han­dy­num­mer des Farm­be­sit­zers hatten.

Milch­stra­ße sowie Saturn und Mars mit Stern­bild­li­ni­en – Im Vor­der­grund das Astel­co Robo­tic Telescope

Den gan­zen Tag weh­te eine stei­fe Bri­se aus Rich­tung Nord­west und ich hoff­te, dass sich der Wind am Abend legen wür­de. Schließ­lich hat­te ich am Abend einen ers­ten Hoff­nungs­schim­mer: Rein­hold konn­te jemand am Flug­ha­fen errei­chen der ver­si­cher­te, dass mein Kof­fer auf dem Flug von heu­te mor­gen in Wind­hoek ange­kom­men war. Lei­der wür­de die­ser aber erst am kom­men­den Tag zur Astro­farm trans­por­tiert, weil der Fah­rer schon im Eto­sha und im Süden des Lan­des die feh­len­den Kof­fer der ande­ren Pas­sa­gie­re ablie­fern muss­te. Er fühl­te sich außer­stan­de, die 180 km lan­ge Fahrt zur Farm noch am sel­ben Abend zu bewerk­stel­li­gen. Das bedeu­tet lei­der für mich eine wei­te­re Nacht ohne mei­ne Astro­trac und war­mer Winterbekleidung.

Pan­ora­ma der süd­li­chen Milch­stra­ße – Kom­po­sit aus 2 Ein­zel­bil­dern (Canon EOS 6D, 24 mm, f/4, 15s, ISO-3200)

Dank des Win­des war die jet­zi­ge Nacht von der Durch­sicht her deut­lich bes­ser als die letz­te, im Durch­schnitt aber auch etwas käl­ter. Das Ther­mo­me­ter kratz­te in Boden­nä­he an der 0 Grad Mar­ke. So hat­te ich in die­ser Nacht mit der Käl­te deut­lich mehr zu kämp­fen. Der Höhe­punkt in die­ser Nacht waren die Pla­ne­ten Jupi­ter und Saturn, wo wir bei recht gutem See­ing sehr schö­ne Struk­tu­ren in deren Atmo­sphä­ren sehen konn­ten. Sogar der Gro­ße Rote Fleck auf dem Jupi­ter war deut­lich erkenn­bar und die Bän­der reich struk­tu­riert. Dage­gen war unser Nach­bar­pla­net Mars eine her­be Ent­täu­schung: Selbst im 7 mm Nag­ler Oku­lar waren nur ver­ein­zelt schwa­che Struk­tu­ren sicht­bar und der Pla­net prä­sen­tier­te sich im Oku­lar eher ver­wa­schen und unscharf. Mit 9 mm Brenn­wei­te zeig­te sich ein etwas bes­se­res Bild. In der Nähe von Mars und etwas ober­halb von Bar­nards Gala­xie, die wir in die­ser Nacht eben­falls beob­ach­te­ten, stand auch ein hel­ler Komet der 9. Grö­ßen­klas­se: C/2016 M1 Pan­starrs. Hier konn­ten wir zumin­dest einen klei­nen Schwei­fan­satz erah­nen. Die Koma prä­sen­tier­te sich recht hell nahe eines Sterns der 6. Grö­ßen­klas­se. Die­ser Komet, der hier in Nami­bia hoch am Him­mel stand, war auch von Deutsch­land aus sicht­bar. Hier erreich­te der Schweif­stern aller­dings nur eine sehr gerin­ge Höhe über dem Hori­zont. Die zuneh­men­de Käl­te führ­te gegen 3 Uhr zum vor­zei­ti­gen Abbruch der Beob­ach­tung. Denn ursprüng­lich hat­te ich geplant, noch bis zum Mor­gen­grau­en auszuhalten.

Andreas

Andreas Schnabel war bis zum Ende der Astronomie-Zeitschrift "Abenteuer Astronomie" im Jahr 2018 als Kolumnist tätig und schrieb dort über die aktuell sichtbaren Kometen. Er ist Mitglied der "Vereinigung für Sternfreunde e.V.". Neben Astronomie, betreibt der Autor des Blogs auch Fotografie und zeigt diese Bilder u.a. auf Flickr.

Ein Kommentar:

  1. Mario Richter

    Hal­lo Andreas.
    Ja schön war es und ich freue mich schon aufs nächs­te Jahr.
    Gruß Mario.

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